Was ist Vergebung in Ein Kurs in Wundern und wie vergebe ich?

Vergebung ist das zentrale Thema des Kurses und der Begriff erscheint fast 700-mal im blauen Buch. Doch wie so oft gibt der Kurs vielen Begriffen aus der christlichen Religion eine völlig andere Bedeutung und fordert uns damit zum Umdenken auf. Schließlich ist Ein Kurs in Wundern eine Geistesschulung. Und bei kaum einem Begriff wird die radikal nonduale Geisteshaltung des Kurses so deutlich wie bei der Vergebung. In diesem Blogbeitrag versuche ich diese nonduale Geisteshaltung zu beschreiben. Außerdem möchte ich aufzeigen, wie ein Vergebungsprozess praktisch umgesetzt werden kann.

Warum sollten wir unsere Geisteshaltung ändern?

Die Standardeinstellung unseres Geistes, ähnlich wie die Werkseinstellung bei einem technischen Gerät, ist auf ständiges Urteilen eingestellt. Wir be- und verurteilen Personen, Situationen und Lebensumstände andauernd. Mal machen wir uns diesen Prozess bewusst, häufig laufen diese gedanklichen Prozesse aber völlig unbewusst – wie auf Autopilot. Ein Kurs in Wundern bietet uns als Lösung gegen das ständige Verurteilen ein Trainingsprogramm in der Form einer Geistesschulung. Mit Hilfe dieser Schulung können wir lernen, automatisches Urteilen durch automatisches Vergeben zu ersetzen und damit unsere Geisteshaltung zu ändern. In anderen Worten: wir ver-lernen das Ver-urteilen.

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Vergeben wenn andere leiden (z.B. Massentierhaltung)

Frage

Generell macht der Punkt der Vergebung für mich Sinn WENN es um etwas geht was mir zustößt. Aber wie sieht es z.B. aus wenn Tieren Leid zugefügt wird (Massenhaltung, Tierversuche etc.)?

Sie spüren doch Leid und Schmerz und wenn ich mir sage, dass dies nicht die Realität ist, verschließe ich nicht eigentlich meine Augen und rede mir das was passiert schön? Wenn jeder so denkt, dann wird dies doch nie enden? Wir Menschen fügen doch in unserer Realität den Tieren dieses Leid zu, und sie sind die Leidtragenden ob wir uns nun der Verantwortung entziehen oder nicht.

Antwort

Das ist eine wichtige Frage, über die wohl jeder Kursschüler früher oder später stolpert. Der Schlüssel zur Antwort ist wahrscheinlich: Der Kurs spricht zu uns auf zwei Ebenen – der metaphysischen Ebene und der Ebene unserer Alltagserfahrung.

Auf der metaphysischen Ebene finden sich im Kurs Aussagen wie “Nichts wirkliches kann bedroht sein. Nichts Unwirkliches existiert.” (T-Einl.) oder auch „Es gibt keine Welt! Das ist der zentrale Gedanke, den der Kurs zu lehren versucht.” (Lektion 132.6) Auf dieser Ebene ist alles ein Traum. Es gibt in Wahrheit eben keine Welt, also auch keine Kühe und keine Menschen, und auch sonst nichts. Das ist die metaphysische Grundlage. 

Wenn du heute Nacht träumst, dass du dir dolle in den Finger schneidest, gibt es doch in Wahrheit keine Wunde. Du liegst unversehrt im Bett. Also gibt es (in Wahrheit) auch keinen Bedarf danach, dass du träumst dass ein Arzt kommt und dir ein Pflaster draufmacht. Falls du weiter träumen willst, ist es natürlich verlockender zu träumen dass der (Traum)Schmerz durch den (Traum)Arzt gelindert wird. Aber wenn du aufwachst, dann ist alles vergangen: “[so] dass nicht eine Note im Lied des HIMMELS ausgelassen wurde.” (T-26.V.5) Alles war immer in Butter. Das merken wir, wenn wir erwachen.

Auf der anderen Ebene, auf der der Kurs zu uns spricht, der Ebene des Traumes, oder unserer Alltagserfahrung, gibt es für uns diese allumfassende Erfahrung der metaphysichen Ebene nicht. Wir nehmen uns und alle anderen als Körper wahr. Was der Kurs uns lehren möchte ist aber, dass diese Wahrnehmung falsch ist. In der Welt hängen Schuld, Tod, Leid und Schmerz untrennbar mit unserer (scheinbaren) Existenz als (scheinbar) getrennte Wesen zusammen. Wir alle träumen „eine trockene und staubige Welt, wohin hungernde und dürstende Kreaturen kommen, um zu sterben.” (Ü-13.5) Es mag hilfreich sein, sich daran zu erinnern, dass jeder der hier ist, nicht nur die Menschen, sondern alle und alles was hier scheinbar lebt, freiwillig und absichtlich zu genau diesem Zweck hierher kommt.

Hier ist es dann einerseits wichtig, wie du auch schreibst, sich nicht mit “Kursplatitüden” die häßliche Welt schönzureden (Ich sehe das Leid, halte es für wirklich und rede mir das dann mit einem Satz aus dem Kurs schön). Andererseits ist es auch wichtig nicht zu vergessen, dass das was die Augen zeigen falsch ist: „Alles, was des Körpers Augen sehen können, ist ein Fehler, ein Wahrnehmungsirrtum […]” (T-22.III.4) 

Der Zweck dieser Täuschung besteht darin, dass wir nicht lernen, dass wir in Wahrheit nur träumen: „Die Versuchung hat eine einzige Lektion, die sie dich in allen ihren Formen lehren möchte, wo immer sie geschieht. Sie will den heiligen SOHN GOTTES davon überzeugen, dass er ein Körper ist, in das hineingeboren, was sterben muss, unfähig, dessen Gebrechlichkeit zu entrinnen, und durch das gebunden, was dieser ihn zu fühlen heißt.” (T-31.VIII.1)

Eine Falle des Ego ist es, das Leid, das mir oder anderen zugefügt wird, zu betonen, und mich so von der meiner Wahrheit und der meines Bruders abzulenken. Ich sage dann nicht mehr: Hier sind zwei heilige und geheilte Geister, die träumen offenbar etwas sehr komisches, sondern ich sage: Hier sind zwei wirkliche Wesen, ein Opfer und ein Täter, und der Täter ist schuldig und das Opfer ist unschuldig, und beide sind sehr wirklich. Das ist diese Versuchung aus dem obigen Zitat. 

Indem ich das Leid (meines oder das eines Anderen) lautstark anprangere, greife ich ihn und mich aus Sicht des Kurses letztlich an: „Es erscheint zuerst unvernünftig, gesagt zu bekommen, dass fortgesetzte Sorge Angriff ist. Sie erscheint in jeder Hinsicht wie Liebe.  Doch Liebe ohne Vertrauen ist unmöglich[…]” (H-7.4) Wenn ich daran festhalte, wie schlimm das alles ist, verhindere ich Heilung aus Sicht des Kurses, die darin besteht sich seines wahren Selbsts zu erinnern. 

Wichtig: Das bedeutet übrigens alles nicht, dass man sich nicht für Umweltschutz oder Tierwohl oder oder einsetzen “sollte” aus Sicht des Kurses. Das meint der Kurs nicht, weil er nie vom Verhalten redet. Was er rät, wäre, einen solchen Einsatz mit einem gewissen Schmunzeln vorzunehmen. Nicht so verbissen wie früher, sondern in dem sanften Wissen, dass letztlich nichts bedroht ist, und dass dieser Einsatz ein Ausdruck von Liebe und nicht von Angst sein soll.